Der Krieg als Augenöffner

Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics
Information und Realität
Der Krieg ist immer ein Augenöffner. Was ihm vorausgeht und ihn begleitet hat in der Regel einen virtuellen Charakter und kommt, wenn es sich dabei nicht um reine Desinformation (von allen Seiten) handelt, dieser sehr nahe.  Und es ist fast unmöglich diese Themen und Thesen zu erfassen, die in Beziehung zu dem echten Stand der Dinge stehen. Das sind die Gesetze der Korrelation zwischen der Informationssphäre und der Realität.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Verhältnisse zwischen Realität und Virtualität zugunsten der Überlegenheit der Informationssphäre verändert. Diese spielt eine immer größer werdende Rolle in der modernen Kriegsführung. Bereits in den 1990er Jahren entwickelte das Pentagon Systeme zur Anwendung der Netzwerkkriegsführung.
Erstens handelt es sich dabei um die Frage des zunehmenden Ausmaßes und der Wichtigkeit des Informationsprozesses in militärischen Konflikten. Doch immer stärker entwickelte sich in Theorie und Praxis (wie von den Amerikanern in Jugoslawien, dem Irak, Afghanistan und während der Farbrevolutionen in Europa und der Arabischen Welt praktiziert) die Idee, dass der Krieg nur an der Informationsfront gewonnen werde und den totalen Sieg garantieren könne. Doch genau an dieser Stelle begannen sich gewisse Probleme aufzuwerfen. Das von dieser These dargestellte Bild erwies sich als zu hypertrophiert. Klassische Waffen und traditionelle Formen der Kriegsführung, den Guerillakrieg und die Kriegsführung im urbanen Raum mit eingeschlossen, haben nicht ihre volle Bedeutung verloren und erwiesen sich oft als entscheidend. Zusätzlich bleibt anzumerken, dass sich die Ersetzung politischer - durch virtuelle Prozesse nicht immer als erfolgreich erwiesen hat. Beispiele dafür sind das Scheitern der Guaido-, Tichanovskaya- und Navalnyprojekte, die trotz ihres “Triumphs” in der virtuellen Sphäre nur zu erbärmlichen Ergebnissen in der Realität führten.
Der schmachvolle Rückzug US-amerikanischer Truppen aus Afghanistan ist ein weiterer Beweis dafür, dass auch mit einer totalen Kontrolle der Informationssphäre im weltweiten Ausmaß das wirkliche Endergebnis in einer Niederlage bestehen kann.

Der Krieg ist die ultimative Form der Gegenüberstellung des Virtuellen mit dem Realen. Genau das ist es, was wir heute bei Russlands militärischer Operation im Donbass und der Ukraine als Ganzes sehen.
Probleme im Osten: Der Schlüssel zum wirklichen Stand der Dinge.
Was Kiew, der Westen im Allgemeinen und sogar der russische Präsident Wladimir Putin am Abend der Militäroperation sagten waren buchstäblich allesamt virtuelle Gesprächsthemen. Keine Seite kommunizierte aus offensichtlichen Gründen den wahren Stand der Dinge. Erst ein paar Tage nach Beginn der Militäroperation wurde ein Augenöffner möglich. Und nachdem der erste Schock über den Rausch der Ereignisse in den ersten Tagen vergangen war, können wir nun endlich relativ objektiv alles erfasse, was gerade vor sich geht.
Der Schlüssel liegt im Bild der Militäraktion in den verschiedenen Regionen der Ukraine.
Darin bestehen die Antworten auf die eigentliche Frage, die da lautet: Warum hat Präsident Wladimir Putin eine derart groß angelegte Operation in der ganzen Ukraine gestartet, trotz der offensichtlichen Kosten für Russland?
Am wichtigsten sind die realen Schwierigkeiten, mit denen sich die russischen Truppen sowie die Milizen der DPR und LPR bei der Befreiung des Gebiets der jeweiligen Republiken konfrontiert sahen. Hier stehen die Erfolge beim Vorrücken der russischen und pro-russischen Truppen im starken Gegensatz zu anderen Frontabschnitten.
Im Norden der Ukraine und den Zentralregionen, inklusive den Gebieten in der Nähe der Hauptstadt selbst, sind die Aktionen des russischen Heeres viel eindrucksvoller und erfolgreicher. Aber der Osten stellt vor diesem Hintergrund definitiv ein Problem dar. Obwohl viele der Siegesberichte in ukrainischen und westlichen Medien hinsichtlich der „vernichtenden Siege“ der ukrainischen Armee im Donbass, inklusive der Einnahme einer Zahl von Siedlungen vormals unter der Kontrolle der DPR – wie etwa Gorlovka – alleine der virtuellen Sphäre angehören, treffen russische Einheiten und Milizionäre in ganz Neurussland auf erbitterten Widerstand. Dieser hat einen effektiven, aber auch unmenschlichen Charakter, verursacht durch die Strategie Städte mit menschlichen Schildern bestehend aus Zivilisten zu verteidigen und diese sogar bei Gegenangriffen zu verwenden  – wie etwa beim Artilleriebombardement von Donezk.
Während es den Widerstand der ukrainischen Armee und der nationalistischen Verbände in anderen Regionen der Ukraine relativ einfach überwinden kann, stößt Russland im Osten und genauer gesagt in der DPR und LPR sowie in Kharkow auf starken Widerstand. Und all das obwohl die Militäroperation von Anfang an auf einer größtmöglichen Front geführt wurde, Offensiven aus 5 Richtungen mit eingeschlossen, sowie Luftschläge gegen die militärische Infrastruktur des Feindes auf dem gesamten Gebiet der Ukraine stattfanden, sowie einer entscheidenden Belagerung großer Städte und der Umfassung Kiews in einem Kessel. Trotz des durchschlagenden Erfolgs insgesamt, ist die Militäroperation im Donbass viel langsamer und schwieriger vorangekommen als sonst wo. Und all das ist trotzt der Tatsache, dass es hier nicht um eine einfache Verstärkung der DPR und LPR-Milizen mit russischen Truppen und absoluter Luftüberlegenheit geht, sondern um die massive Involvierung russischer Militärstreitkräfte in der Durchführung militärischer Operationen.
Moskau hat die Wahrheit verbreitet
Was folgt daraus? So gut wie alles. Und am allerwichtigsten ist hierbei, dass im Strom der Vorkriegsdesinformation, die Bekanntmachungen Präsident Putins und der russischen Seite dem eigentlichen Stand der Dinge am nächsten gekommen sind. Das heißt nicht, dass nicht auch unsere Seite von Desinformation bei gewissen Punkten zurückgeschreckt ist, denn Krieg bleibt Krieg, aber das Gesamtbild des Kräftegleichgewichts und der geopolitischen Logik wurde von Moskau viel realistischer beschrieben. 
Was ist damit gemeint? Wenn eine umfassende Militäroperation, die einen großen Teil des militärischen Potenzial Russlands involviert und fast alles aufs Spiel setzt sowie bereits die Beziehungen mit dem Westen geopfert hat, mitsamt all den Angriffen der russischen Offensiv- und Defensivaktionen, die Zerstörung strategisch wichtiger Produktionsanlagen mit eingeschlossen – Informationskriegsführungszentren auf feindlichem Gebiet inklusive – dann ist es kein Wunder, dass die Wiederherstellung der Kontrolle über den Donbass so schwierig ist. Das kann nur eines bedeuten: Russland trat im Donbass der größten Truppenkonzentration der ukrainischen Armee und der nationalistischen Formationen entgegen, welche nicht nur jeden Meter des Gebietes auf eine tiefe und effektive Verteidigung vorbereitet haben, sondern auch sehr offensichtlich – es ist nun offenbar geworden – die Absicht hatten, ihre gesamte konzentrierte Macht auf die DPR und LPR in naher Zukunft zu entfesseln. Und wenn wir uns vorstellen, dass Moskau keine Militäroperation starten würde ohne die DPR und LPR anzuerkennen, dann wären diese Republiken nicht nur unfähig dazu dem ukrainischen Angriff standzuhalten, sondern auch Russlands Unterstützung für deren Verteidigung wäre ineffizient. Die von der ukrainischen Armee im Osten massierten Kräfte, die einen derartig fanatischen Widerstand geleistet haben, hätten eine Militäroperation im großen Stil begonnen. Was wäre passiert, wenn sich die DPR und LPR im Angesicht des Feindes vorgefunden hätten, wobei ihre eigenen Kräfte gelähmt oder nur in geringem Ausmaß vorhanden gewesen wären, dazu gezwungen wären, wegen jedem Detail in Moskau um Hilfe zu bitten? Es liegt auf der Hand, dass wenn Putin sich nicht zum Start einer Militäroperation und zunächst der Anerkennung der DPR und LPR entschlossen hätte, die Situation sich wohl ganz anders entwickelt hätte: Die ukrainische Armee – entgegen jeglichen Grad des Heroismus von DPR und LPR – hätte diese Gebiete eingenommen, die lokale Bevölkerung einem totalen Genozid unterworfen, die berauscht von diesen „Gewinnen“ damit fortgefahren wären „die Krim zu befreien“, entweder gleich im Anschluss daran oder nach einer Pause. Kiew wäre dann dazu in der Lage gewesen, Moskaus wütende Proteste einfach zu ignorieren, ebenso wie die nukleare Drohung: Russland hätte an kritischer Masse verloren, wenn es etwas von sich selbst aufgegeben hätte.
Anders gesagt, der Initiator dieser Militäroperation war nicht Putin. Das ist schwer zu glauben, und man will es nicht – weder Freund, noch Feind – aber Moskau hatte wirklich keine andre Wahl. Es gab wirklich keine persönlichen Gründe für diese Militäroperation. Sie war erzwungen worden und war unausweichlich. Bei ihr handelte es sich weder um einen genialen Plan, noch um eine ausgeklügelte Strategie: Sie war der direkte Imperativ der nationalen Sicherheit und des Rufs nach dem Erhalt der russischen Souveränität. Ohne die Verdienste des russischen Präsidenten in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, jeder an seiner Stelle, ausgenommen ein wirklicher Feind oder kompletter Idiot, hätte das selbe getan. Moskau konnte nicht anders, als eine umfassende Offensive zu beginnen, denn ohne diese wäre es nicht dazu in der Lage gewesen irgendwelche lokalen Siege im Donbass zu erreichen – auch nicht in dessen alten und erbärmlichen Grenzen.
Was beobachten die Beobachter?
Im Jahr 2014 verkündete ich die folgende Formel auf dem russischen Fernsehkanal Kanal Eins:
„Wenn Russland den Donbass verliert, wird es die Krim verlieren. Und wenn es die Krim verliert, verliert es sich selbst.“

Dies war mein letzter Auftritt in diesem zentralen Fernsehkanal, denn er wurde als „aggressiv“ und „militaristisch“ beschrieben. Dabei war er keines von beiden. Ich habe schlicht und ergreifend die objektive geopolitische Situation beschrieben und ihre unausweichlichen Konsequenzen. Ich habe bestimmt meine eigene – patriotische – Position vertreten, aber das war nicht der Punkt. Worüber ich gesprochen habe, war keine Propagandaformel, sondern eine kalte und objektive – wissenschaftliche – Stellungnahme zum gegenwärtigen Stand der Dinge. 
Heute wiederholt jeder diese Formel, doch nur deswegen, weil sie die Wahrheit beinhaltet. Nicht nur unsere russische Wahrheit, sondern die Wahrheit an sich, ganz gleich aus welchem Winkel wir sie betrachten.  Und Kiew dachte über den Stand der Dinge genau das gleiche.  Alle Annahmen von Kiew und dem Westen über Russlands Bereitschaft eine „Invasion“ zu beginnen waren dabei präventiver Natur: Wenn du selbst dich darauf vorbereitest anzugreifen, beschuldige deinen Gegner genau das zu tun. Und wenn man die ganze Informationssphäre der Welt hinter sich weiß, dann kann die Öffentlichkeit alles glauben. Niemand wird den wirklichen Stand der Dinge an der Front studieren, insbesondere weil jeder Beobachter sich mit einer der Seiten beschäftigen muss und diese besteht in der Ideologie und der Annahme einer spezifischen geopolitischen Position. Jeder Beobachter beobachtet auf seine eigene Weise, dem Ausmaß seiner zivilisatorischen und politischen Besonderheiten entsprechend. Folglich kann niemand vor dem Beginn des Krieges als Augenöffner vollkommene Gewissheit haben.
Warum so spät?
Viele stellen sich die bittere Frage: Warum so spät? Warum nicht bereits vor 8 Jahren? Diese Frage bezieht sich auf die Befreiung des Donbass, die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine als Ganzes, die Schließung der russophoben Medien und den Übergang zu einer souveränen Wirtschaft in Russland selbst. Die Antwort auf all das wird durch die Schwierigkeit des Vormarsches unserer Truppen auf Wolnowacha, Mariupol und den Grad der Vorbereitung auf den Krieg in der ganzen Ostukraine gegeben. Die These von Neurussland und dem russischen Frieden, welche die Parole des ersten Russischen Frühlings war, wurden nicht so sehr in Moskau, dafür umso mehr in Kiew und Washington vernommen. Westliche Strategen begriffen, dass diese ernsthaft und gerechtfertigt waren. Folglich begannen sie sich der kompletten Unterwerfung des Ostens zuzuwenden, genau in dem Moment als wir uns selbst aufgehalten hatten, indem wir unsere eigenen roten Linien gezogen hatten – lediglich die Krim und einen Teil des Donbass.
Wir hielten an und sie taten das Gegenteil und ergriffen die Initiative. Dabei bereiteten sie sich auf die Schlacht um Neurussland vor, das heißt die Eroberung und den Genozid am Donbass sowie der Krim, ruhelose acht Jahre lang.
Wir können heute sehen, in welcher geistigen Verfassung sich die Kiewer Behörden befinden. Sogar in ihrer gegenwärtig miserablen Position, praktisch eingeschlossen und nach dem Verlust praktisch der gesamten militärischen Infrastruktur versuchen sie verzweifelt an ihrem halluzinatorischen – virtuellen – Bild der Welt festzuhalten. Sie ähneln dabei sehr stark den Angestellten von Echo Moskau, die durch Zufall von Zeit zu Zeit aus Kiew geflohen sind. Ist es wirklich möglich, dass die wahnsinnigen Herrscher einer nazifizierten und militarisierten Ukraine nur durch den theoretischen Gebrauch von Atomwaffen durch Russland im Fall eines Angriffs auf die Krim abzuschrecken gewesen wären? Seien Sie nicht lächerlich! Sie können nicht die Realität akzeptieren, dass sie in Kiew dicht von russischen Truppen eingeschlossen sind, wo bereits der Hunger drängt und Plünderer sowie wahnsinnige Neonazis wüten. Und wären sie durch die simplen Worte aus Moskau, dass „die Krim für immer unser ist“ aufzuhalten gewesen?
Putin hat die Geschichte nicht überholt. Er hat genau das getan, was notwendig und unausweichlich war. Mir scheint es vom subjektiven Gesichtspunkt gesehen so, als hätte er das gar nicht wollen. Wenn er es gewollt hätte, dann hätte er früher damit begonnen. Unsere Truppen wurden natürlich 8 Jahre lang perfekt darauf vorbereitet, aber genauso hat sich der Feind vorbereitet. Auch ist die Junta in Kiew nicht zusammengebrochen und die korrupten ukrainischen Oligarchen haben keine Massenproteste ausgelöst. Die Ukraine befindet sich nicht in bester Verfassung, aber der wirtschaftliche und soziale Zusammenbruch wurden meisterlich durch eine hysterische nationalistische sowie russophobe Propaganda kompensiert. Nun ist es klar warum und aus welchem Grund diese wahnsinnige rassistische Russophobie eine pragmatische Funktion erfüllt hat. Ohne sie kann die Ukraine nicht gehalten werden und der zynische Westen nahm diese Exzesse als selbstverständlich hin und verschloss seine Augen vor dem ukrainischen Nazismus. Sie können sich nirgendwo so verhalten, außer in Kiew. Ohne all das hätte die pro-westliche, aber gleichzeitig total ineffektive ukrainische Regierung nicht lange überlebt. Und das tat sie. Alles befand sich im freien Fall, während der Nazismus und Militarismus anwuchsen.
Und daraus resultieren unsere heutigen Handlungen.
Das Unausweichliche und die gerechte Verteidigung.
Das letzte was Putin wollte, war ein Abbruch der Beziehungen zum Westen. Und aus diesem Grund allein hatte er standhaft die Liberalen in Russland selbst toleriert – die Oligarchen, die Fünfte Kolonne, die Kulturschaffenden und den Wirtschaftsblock in der Regierung selbst. Er war sich sehr wohl dessen bewusst wer diese Leute waren und welchen Schaden sie dem Land zufügen. Doch Putin behielt sie als eine Kommunikationsbrücke mit dem Westen. Er unterdrückte nur ihre extremsten Auswüchse. Er hat sich nur deswegen für eine Militäroperation entschieden, weil es keinen anderen Weg aus dieser Situation heraus gab.
Er folgte dem einzig möglichen Weg. Dabei zögerte und verzögerte er nicht nur, sondern er wollte eigentlich gar keine Militäroperation oder einen Rückzug aus der modernen westlichen Zivilisation an sich. Wenn er direkt und ehrlich darüber spricht, wird ihm nicht geglaubt. Sie denken, dass es sich dabei nur um einen weiteren Desinformationsversuch handelt. Doch Putin spricht die reine Wahrheit.  
Dabei handelt es sich um eine unvermeidbare und komplett logisch gerechtfertigte Verteidigung, nicht nur retrospektiv hinsichtlich all der Dinge, die der Westen russischen Herrschen von 1980 bis 1990 aufgezwungen hat, sondern auch im Hier und Jetzt, unter Bedingungen, die bis zum Februar 2022 aufrecht geblieben sind.  Natürlich hat all das nicht erst jetzt begonnen, sondern zog sich all die 30 Jahre lang nach dem Kollaps der UdSSR hindurch fort. Seitdem hat der Westen andauernd das angegriffen, was von ihr übrig geblieben war. Er hat nicht einen Moment damit aufgehört. Solange man damit irgendwie leben konnte, hat Putin damit gelebt. Doch dann kam der Moment, als das nicht mehr möglich war. Der geopolitische und ideologische Status quo ist nicht länger mit dem Leben als souveränes Land vereinbar.
Also sagt Russland die Wahrheit. Natürlich wird ihm niemand glauben. Aber in diesem Fall stellt sich heraus, dass es genauso ist.